Fiber Fact Friday Nr. 30: Gute Güte! Wollsiegel im Überblick

„Mit Brief und Siegel“ – Das ist eine ziemlich altertümliche Redewendung. Sie soll betonen, dass etwas ganz sicher ist. In früheren Zeiten war das Siegel eines Herrschenden auf einer Urkunde der Beleg für die Echtheit des Dokuments. Siegellack und Prägestempel gibt es auch heute noch. Man findet sie allerdings eher nostalgisch inszeniert auf Pinterestboards als in Amtsstuben. Ideel haben Siegel aber immer noch ihre Bedeutung – auch im Fall von Wolle. Wir geben euch heute einen kleinen Überblick zum Thema Gütesiegel.

GOTS

Eines der wohl bekanntesten Wollsiegel dürfte GOTS sein. Die Abkürzung steht für: Global Organic Textile Standard. Sein Ruf: hard to get – schwer zu kriegen. Die Zertifizierung bezieht sich nämlich nicht nur auf das Endprodukt, sondern auf den gesamten Produktionsprozess. Vom ersten Schaflöckchen bis zur Masche auf euren Nadeln sozusagen. Dabei gibt es eine Menge zu beachten: Es dürfen nur wenige, unbedenkliche Chemikalien verwendet werden, mindestens 70% des Produkts müssen Naturfasern sein, die aus kontrolliert biologischem Anbau bzw. Tierhaltung stammen, und vieles mehr.

Zudem müssen eine Vielzahl an sozialen Standards, wie etwa faire Löhne und menschenfreundliche Arbeitsbedingungen, gewährleistet werden. Dennoch gibt es auch immer wieder Fälle, in denen herstellende Betriebe Mittel und Wege finden diese Standards zu umgehen. Mit den Chancen, Problemen und Herausforderungen in Sachen GOTS werden wir uns in einem zukünftigen Blogbeitrag im Detail auseinandersetzen.

RWS

Der Responsible Wool Standard ist das Küken im Wollsiegelkindergarten. Es wird erst seit 2016 von der NGO TextileExchange vergeben. Wir haben darüber in unserem Beitrag über Mohair schon einmal berichtet. 2020 kam nämlich noch der RMS – der Responsible Mohair Standard – hinzu:

Den RMS erhalten nur Ziegenfarmen, die eine ganze Reihe von Auflagen erfüllen. Tierwohl steht dabei an oberster Stelle. Aber auch weitere Faktoren spielen eine Rolle, unter anderem der Umweltschutz. Durch monokulturelle Haltung von großen Angoraziegenherden wird die Biodiversität ganzer Landstriche in Mitleidenschaft gezogen und auch die Arbeitsbedingungen für die Farmangestellten sind oft mehr als problematisch. Hier bessere Standards für Mensch und Natur zu erreichen, ist ein wesentlicher Aspekt der Zertifizierung. 

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Die gleichen Standards gelten auch für das Woll-Siegel. Auch wenn es sich bei RWS und RMS um Tierwohl-Siegel handelt und Ökologie ein Schwerpunkt ist, müssen RWS-Produkte keine Bio-Erzeugnisse sein.

Öko-Tex

Ein Label mit der Aufschrift Standard 100 by Oeko Tex haben viele von euch wahrscheinlich schon mal gesehen. Häufig findet man es an Bettwäsche und Bettzeug, aber auch an Kinderkleidung und Spielzeug. Produkte, die auf Schadstofffreiheit getestet und für unbedenklich befunden wurden, können es erhalten. Obwohl es „Öko“ im Namen hat, trifft es keine Aussage darüber, ob das Produkt ökologisch bzw. kontrolliert biologisch hergestellt wurde. Inzwischen wurde ein erweitertes Label eingeführt, das genau auf diese Aspekte abzielt: Made in Green by Öko-Tex.

FairTrade

Dazu müssen wir wahrscheinlich nicht viel erklären, denn dieses Label gibt es nicht nur für Wolle, sondern auch alle möglichen anderen Produkte, z.B. Lebensmittel. Bei FairTrade geht es um die sozialen Herstellungs- und Arbeitsbedingungen. Zum Glück achten immer mehr Wollmarken auf diese Themen – auch wenn sie in Sachen Ökologie vielleicht noch nicht so weit sind. Zu verdanken ist das mit Sicherheit dem Druck der vielen Verbraucher*innen, die mit einem guten Gewissen ihre Wolle verstricken möchten. In diesem Zusammenhang sei auch das Siegel Grüner Knopf erwähnt. Dabei handelt es sich nicht direkt um ein Wollsiegel, sondern um ein Zertifikat für Kleidung, die unter ökologischen und fairen Bedingungen produziert wird.

Woolmark

Beim Woolmark Siegel muss ich an die Mäntel meiner Oma oder meiner Mutter denken. Dort war auf der Innenseite ein Label mit einem Wollknäuel zu sehen. Ich erinnere mich daran, weil ich mich als Kind gewundert hatte, dass man etwas so auf dem Reverse anbringt, dass es bei geöffneten Knöpfen zu sehen ist. Aber tatsächlich war das gewollt, belegt Woolmark doch, dass es sich um ein reines Schurwoll-Produkt handelt. Es wurde in den 1930er Jahren ins Leben gerufen – dementsprechend spielten hier ökologische Gesichtspunkte noch keine Rolle, sondern es ging ausschließlich um die Gütequalität des Materials. Vor zehn Jahren wurde eine Luxusvariante, Woolmark Gold, für Merino-Produkte eingeführt.

Naturtextil IVN zertifiziert BEST

Ja, und was ist jetzt wirklich fair, öko und gut? – Das kann man sich bei dieser Auflistung mit ihren Einschränkungen schon fragen. Deshalb schließen wir mit dem wahrscheinlich strengsten Siegel: IVN-BEST-Zertifizierungen werden vom Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft vergeben. Die Produkte müssen biologisch produziert werden, schadstoffrei sein und soziale sowie tierschutzrechtliche Normen einhalten. Das klingt gut – vor allem besser als der doch etwas sperrige Name.

Wie ihr euch bestimmt denken könnt: Diese Liste ist natürlich nicht vollständig und zu allen Standards gibt es positive wie kritische Stimmen. Dennoch hoffen wir, ihr habt beim Wollkauf jetzt ein bisschen mehr Durchblick. Wie wichtig euch zum Beispiel ein Bio-Siegel ist oder ob es euch vor allem um die Produktionsbedingungen geht, muss jede*r für sich selbst entscheiden. Apropos bio: Wenn ihr hier auf Nummer sicher gehen wollt, dann haltet Ausschau nach den Bezeichnungen kbA (kontrolliert biologischer Anbau) und kbT (kontrolliert biologische Tierhaltung). Worauf ihr aber unabhängig davon achten solltet, ist, dass auf eurer Wollbanderole „mulesing-frei“ steht. Was es damit auf sich hat, hat euch Steffi hier im Details erzählt:

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Und damit sag ich an dieser Stelle für heute Tschüß, wünsche euch ganz viel schöne Strickzeit und kann euch versprechen, dass es in der Dezemberausgabe des Fiber Fact Friday wieder ein wenig leichter und unterhaltsamer zugehen wird.

Lasst die Nadeln klappern, Eure Judith

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PPS: Auf dem Titelbild siehst du die neue ColourFluff. Das Rohgarn ist GOTS-zertifiziert. Was das heißt, hast du ja oben bereits erfahren. 🙂

Quellen (Bild und Info):

Ein Gedanke zu „Fiber Fact Friday Nr. 30: Gute Güte! Wollsiegel im Überblick

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